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Change Management: Lewins 3-Phasen-Modell (+ Tipps) | newvision

Geschrieben von Christian Andres | 06. Oktober 2023

Das Ziel dieses Blog-Beitrags ist es, ein Basis-Verständnis für die im Rahmen eines Change-Prozesses (zum Beispiel eine ERP-Systemumstellung) zu erwartenden Dynamiken und Herausforderungen darzustellen. Und zwar anhand eines einfachen Modells des Change Managements.

Hat man noch nie in einer tragenden Rolle bei der Einführung eines neuen ERP-Systems mitgewirkt, so liegt im Zuge einer "Ersttäterschaft" ein großer Stolperstein. Primär darin, dass die mit Sicherheit aufkommenden Herausforderungen eines solchen Projekts im Vorfeld unterschätzt werden. Dadurch wird ein solches Vorhaben aus Blauäugigkeit schnell auf die "Einführung eines Stücks Software" innerhalb eines Unternehmens banalisiert.

 

Verfehlte Erwartungen über Digitalisierung in Unternehmen

 

Die generelle Erwartungshaltung ist, dass zunächst einmal irgendein "Computer-Mensch" ins Haus kommt. Dort installiert er die Software und zeigt jeder Abteilung in einer Schulung, wie sie die gewohnten Handgriffe "ganz einfach" im neuen System durchführen. Und ja, natürlich geht dann mit der neuen Software "alles automatisch". Speziell die ungeliebten Handgriffe möchte jeder User für sich dann im Zuge der Programmeinführung "selbstverständlich" gerne wegrationalisiert haben. (Achtung - kann Satire enthalten!)

Wer jedoch bereits einmal bei der Einführung eines neuen ERP-Systems maßgeblich involviert war, reagiert schon ganz anders ob dieses Wandels. Er oder sie wird hier an dieser Stelle nun - hoffentlich mit dem durch die reißerisch-verbale Simplifizierung erhofften Schmunzeln - den Kopf schütteln. Und vermutlich nicht nur eine der bereits gemeisterten Hürden aus seinem dahingehend gesammelten Erfahrungsschatz an Komplexität zurück in den Sinn bekommen.

Ein neues ERP-System: Aspekte und Erfolgsfaktoren

 

In der Praxis ist es nun einmal so, dass bei der Einführung eines neuen ERP-Systems neben den technischen Aspekten (technologischer State-of-the-Art, möglichst nahtlose Integration in die restliche Systemlandschaft, Sicherstellung der Updatefähigkeit…) anderes mit auf das Tapet kommt. Richtig gemacht, inkludiert die Reflexion über Transformation nämlich sowohl die aktuell gelebten Prozesse als auch die Strukturen der Organisation inklusive Abteilungen, Rollen sowie Funktionen.

Folglich liegt es in der Natur dieser Sache, dass im Zuge eines solchen Projekts die vorherrschenden Verhaltensweisen hinsichtlich ihrer Zukunftstauglichkeit hinterfragt werden. Idealerweise werden sogar an vielen Stellen im Verlauf Veränderungsprozesse angestoßen. Und solange die humane Arbeitskraft in den Organisationen nicht vollständig durch Roboter ersetzt ist (Achtung - wieder Satire!), wird dies permanente Interaktion mit den unterschiedlichsten Personentypen erfordern. Mit allem, was dazugehört, es wird somit unvermeidbar auch "menscheln". Dies bedeutet auch, dass dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor – wenn nicht sogar den eigentlichen Nukleus - die nachhaltige Einbindung der Mitarbeiter und das daraus resultierende Commitment darstellt.

Definition von Change Management: Was dahintersteckt

 

Unter „Change Management“ verstehe ich im Wesentlichen die Methoden und Herangehensweisen, wie in der Organisation Änderungen an den Prozessen und Strukturen end-to-end umgesetzt werden. Das soll idealerweise mit einem 360°-Fokus angegangen werden. Dabei ist das Augenmerk sowohl auf die betroffenen Personen und auf die notwendigen Schritte der Veränderung zu legen. Obendrauf aber ebenso auf die Messbarkeit beziehungsweise Transparenz des im Laufe des Veränderungsprozesses bereits Erreichten.

In einem Satz zusammengefasst, handelt es sich um die notwendigen Schritte und Aspekte, um eine Veränderung in der Organisation erfolgreich zu implementieren und in weiterer Folge auch zu erhalten.

 

Widerstand & Model of Change

 

Leider ist bei Wandlungsprozessen - egal ob es sich nun um die Veränderung des Geschäftsmodells, eine Unternehmensfusion oder eben ein strategisches Software-Projekt handelt - Widerstand nicht die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel. Ein diesbezüglich passendes chinesisches Sprichwort besagt: "Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen". Ein klares Ziel von Prozessen der Veränderung sollte jedenfalls sein, gemäß diesem Sprichwort jene Mitarbeiter, die "Mauern bauen", möglichst zum "Bauen von Windmühlen" zu motivieren.

Kurt Lewin hat diesbezüglich bereits 1947 mit seinem 3-Phasen-Modell - "Model of Change" (Lewin, 1947) - die dabei aufeinandertreffenden Kräfte der "Widerstreber" (restraining forces) und der "Antreiber" (driving forces) aufgezeigt. Er hat auch den diesbezüglichen Impact auf insgesamt drei Phasen des Veränderungsprozesses entsprechend detailliert dargestellt:

 

(Abb.: Model of change, Vahs, 2009)

 

Change Management Modell laut Lewin: Die Phasen

 

Das „Model of Change“ beschreibt insgesamt 3 Phasen:

  • "Unfreezing" (Auftauen, Auflockern)

    • Es wird der zu verändernde "Status-Quo" festgestellt und das Problembewusstsein für die anstehenden Veränderungen geschaffen. Die Ängste der "Widerstreber" unter den Mitarbeitern werden abgebaut und Motivation für die Veränderungsinitiative(n) generiert.

    • In dieser Phase wird die Change-Architektur geschaffen. Um eine möglichst klare Roadmap im geplanten Change-Prozess inklusive der zeitlichen Dimension zu erzielen.

Im Kontext einer ERP-System-Einführung ist dies die klassische Evaluierungsphase. Es wird ein gemeinsames Verständnis zum eigentlichen Handlungsbedarf und der damit verbundenen Dringlichkeit erarbeitet. Und zwar mit der Conclusio, die Folge-Schritte "bewusst" und "mit Plan" unter den besten Rahmenbedingungen zu initialisieren.

Einen üblichen Schritt in dieser Phase stellt auch die Auswahl von externen Partnern/Beratern zur Unterstützung bei der Umsetzung der nachfolgenden Veränderungsphase dar. Besser noch ist es, wenn man diese von Beginn an mit einbindet.

  • "Changing" (Bewegen/Verändern)

    • Aufbauend auf die in der "Unfreezing"-Phase generierte Veränderungsbereitschaft wird der eigentliche Überleitungsprozess in Bewegung gebracht.

    • Die Stakeholder werden mit den Änderungen vertraut gemacht. Sowie in die damit verbundenen Entscheidungs- und Lösungsfindungsprozesse je nach Sinnhaftigkeit involviert. Die ersichtlich notwendigen Maßnahmen werden im Unternehmen sowohl definiert als auch umgesetzt.

Umgelegt auf eine ERP-Software-Einführung beschreibt diese Phase das eigentliche Implementierungs-Projekt: die Tätigkeiten von der Detail-Spezifikation über die Realisierung und die Trainings bis zur tatsächlichen Systemumstellung:

    • Dies ist eine - wenn nicht "die" - essentielle Phase. Das Gesamt-Projektteam bestehend aus der kundenseitigen Projektleitung, den internen Key-Usern, den externen Beratern und mehr durchschreiten gemeinsam hoffentlich alle Stufen des klassischen Teambuilding-Prozesses. Um damit idealerweise möglichst schnell die Stufe der "High-Performance" zu erreichen. 

    • In dieser Phase kommen "natürlich" auch diverse Konflikte auf. Was aber letzten Endes lediglich bedeutet, dass (mindestens) 2 Menschen unterschiedliche Dinge zur gleichen Zeit wollen. Konstruktiv geklärt, kann daraus so einiges an Chancen und Strategien geschöpft werden. Zudem wird Klarheit geschaffen und sichergestellt, dass wichtige Aspekte mit eingebracht und somit auch bedacht werden können.

  • "Refreezing" (Einfrieren/Stabilisieren)

    • Die in der "Changing"-Phase vollzogenen Veränderungen werden etabliert und es wird dafür gesorgt, dass alle Beteiligten diese Veränderungen auch geschlossen mittragen. 

    • Diese Phase im Change Management-Prozess ist sehr wichtig, um zu vermeiden, dass sich ungewünschte und im Zuge des Veränderungsprozesses "abgeschüttelte" Muster langsam wieder einschleichen.

Wiederum auf die Implementierung einer ERP-Lösung umgelegt, ist dies die Phase nach der erfolgten Echt-Umstellung. Wenngleich diese Phase je nach Architektur des Veränderungsprozesses gerne auch wieder in die nächste "Unfreezing"- beziehungsweise "Changing"-Phase münden darf. (Beispiel: Projekte über mehrere Phasen)

Die Dauer der Veränderungsprozesse

 

Die Dauer von Veränderungsprozessen kann natürlich nicht pauschal ausgedrückt werden. Abhängig vom Umfang und der Tiefe der gewünschten Änderungen können Veränderungen schneller oder auch träger umgesetzt werden. Beeinflusst wird das auch durch das Level der in der Unternehmens-DNA verankerten Veränderungsbereitschaft. Beschränkt sich die zur Erreichung vorgesehene Veränderung eher auf einzelne Dimensionen, Aspekte und Ebenen so ist diese ohne erforderlichem Paradigmenwechsel zeitlich schneller zu durchlaufen. Man spricht hier dann vom „Wandel 1. Ordnung“

Dies im Gegensatz zum „Wandel 2. Ordnung“ mit erforderlichem Paradigmenwechsel. Das deshalb, weil für das Zielbild mehrdimensionale Änderungen auf allen Ebenen und somit auch entsprechender Impact auf die Unternehmenskultur gegeben ist. Sofern man davon ausgeht, dass Unternehmenskultur überhaupt direkt veränderbar ist, ist dies in Folge jedenfalls ein sehr träger und langwieriger Prozess.

 

Mein persönlicher Tipp für den nachhaltigen Erfolg von Change Management

 

Schaffen Sie über einen zweckorientierten Zeitraum weiterhin Raum für die Kommunikation des gesamten Projektteams. Dies zum einen, um etwaige verbliebene Unklarheiten in entsprechende Klärungsprozesse überführen zu können. Zum anderen, um die in dieser Phase aufkommenden Verbesserungsvorschläge und Ideen für zukünftige Change-Projekte schöpfen zu können.

Ein gutes ERP-Projekt ist nicht nur ein Software-Projekt, sondern ein Change-Projekt.  

 

Zusammenfassung zu Lewins 3-Phasen-Modell

 

Dieses Change Management-System wirkt aus heutiger Sicht doch sehr simplifiziert. Es ist jedoch - vermutlich auch gerade deswegen - sehr gut dafür geeignet, ein Basisverständnis von Veränderungsmanagement und den darauf einwirkenden Kräften zu gewinnen. Jedoch ist es natürlich unbestritten so, dass auch hier die Theorie hinter Modellen in der Praxis oft ganz anders ausschaut. Und somit diese Reduktion solch komplexer Wandel auf lediglich 3 aufeinander aufbauende Schritte im Phasenmodell nach Lewin zu oberflächlich und theoretisch bleibt. Aber auch zu diesem Thema hat Lewin mit seiner Aussage "[…] there is nothing so practical as a good theory." (Lewin, 1951) bereits die richtige Antwort geliefert.

Detaillierter werden Veränderungen in Bezug auf alternative Change Management-Modelle dargestellt. Zu nennen wären hierbei das "5-Phasen-Modell" nach Krüger oder das "8-Stufen-Modell" von John P. Kotter.

 

Quellen:

 

Lewin, K. (1947). Change management model.

Lewin, K. (1951). Field theory in social science: selected theoretical papers (Edited by Dorwin Cartwright).

Vahs, D. (2009). Organisation. 7., überarb. Auflage. Stuttgart.

Wikipedia (2020) https://de.wikipedia.org/wiki/Teambildung#Phasenmodell_nach_Tuckman_und_Klotz

 

Bilder: unsplash, Vahs und Eigene Aufnahme NewVision Group 

 

Phasen des Change Management FAQ

 
Definition

Was ist ein Change Management-Prozess?

Das wesentliche Ziel eines Prozesses ist es ja, durch die Strukturierung notwendiger Schritte die Komplexität sich wiederholender Tätigkeiten zu reduzieren. Folglich stellt das Ziel eines „Change-Management-Prozesses“ klarerweise die Definition der notwendigen Schritte/Stufen und Abhängigkeiten zur Erreichung des veränderten Zielbildes dar. Hier kommt natürlich wieder der Komplexitätsgrad der notwendigen Veränderung mit ins Spiel. In der Praxis liefert der Prozess Orientierung und Struktur, aber kein fertiges Handlungsmuster mit absoluter Erfolgsgarantie.

Change-Modelle

Welche Change-Prozesse gibt es?

Einige der geläufigsten Modelle sind Kotters 8-Stufen-Ansatz (Veränderungsklima muss gezielt vorbereitet werden), Krügers 5-Phasen-Modell (wiederkehrendes Abwägen des Ausgangs- und Zielzustandes) und Lewins 3-Phasen-Modell (Fokus dieses Blogs). Als Gassenhauer erweist sich mittlerweile aber das Objectives and Key Results (OKR)-Modell. Dabei setzt das Management nicht auf externe, sondern vielmehr intrinsische Anreize, welche Eigenmotivation hervorrufen sollen. Einerseits, indem es volle Transparenz walten lässt und andererseits, indem sich Mitarbeiter klare und engagierte Ziele setzen.

Zeitpunkt der Notwendigkeit

Wann wird ein solcher Change-Prozess notwendig?

Grundsätzlich ist es bei jeglichen Veränderungen auf organisationaler Ebene empfehlenswert, prozessual darüber nachzudenken und zumindest einen groben Plan aufzustellen. Durch strukturierte und methodische Herangehensweise kann jedenfalls diesbezügliches Ad-hoc-Mikromanagement entsprechend reduziert werden. Durch eine klare Veränderungsstrategie wird auch ein klarer Rahmen für den Veränderungsprozess abgesteckt. Das ermöglicht wiederum in weiterer Folge Orientierung zum jeweiligen Status Quo.

Tools

Was sind Change Management-Tools?

Der Hauptnutzen von Change Management-Tools liegt darin, Struktur und Ordnung in das chaotische Umfeld zu bringen, welches entstehen kann, wenn ein Unternehmen tiefgreifende organisatorische Änderungen durchläuft. Gleichzeitig wird durch entsprechende Strukturierung auch Transparenz zu den erforderlichen Schritten sowie eine Messbarkeit zur Erreichung der abgesteckten Etappenziele geschaffen. Dies hilft dabei, der Organisation zu zeigen, „dass sich etwas bewegt“. Aber hier gilt dieselbe Devise wie für alle anderen Tools: „A fool with a tool is still a fool“.

Relevanz

Warum ist Change Management so schwierig?

Peter Drucker hat dies mit einem Statement sinngemäß ziemlich auf den Punkt gebracht: „Structure follows strategy, and culture let it happen“. Wenn in der Unternehmenskultur keine oder nur mangelnde Veränderungsbereitschaft verankert ist, entstehen im Zuge des gedachten Wandels sehr schnell massive Widerstände. Diese können den Change-Manager dann sukzessive zum Don Quichotte mutieren lassen können.

Je fortgeschrittener, die zur Veränderung angedachte, Organisation bereits entwickelt ist, desto „bürokratisierter“ ist diese tendenziell auch. Und Bürokratismus hat letztlich als Kernzweck „Stabilität“ und ist daher mit vielen Abwehrmechanismen ausgestattet. Dies führt letzten Endes dann zu folgendem Paradoxon: „Wie verändere ich eine Organisation, deren hauptsächlicher Zweck es ist, stabil zu bleiben?“.

Blockadehaltung

Wie geht man als Führungskraft mit Mitarbeitern um, die keinen Change mitmachen wollen?

Grundsätzlich sollte der primäre Fokus auf jene Mitarbeiter gelegt werden, die sowohl änderungsbereit als auch dahingehend motiviert sind. Hier gilt wieder das Prinzip „Betroffene zu Beteiligten machen“. Letztlich können 10% eines Schwarmes die Richtung vorgeben. Daher gilt es zu Beginn, diese „magischen“ 10% für die Veränderung mit an Bord zu bekommen.

Der „Wind of Change“ wird in weiterer Folge dann auch den Rest mit antreiben. Erkennt die Führungskraft tatsächlich destruktive Änderungsblockierer (die meisten werden dagegen eher im toten Winkel der Führungskraft „protestieren“), so sollte je nach Person und Situation die richtige Taste auf dem Klavier des Leadership gedrückt werden.

Erfolg

Wann ist ein Change erfolgreich?

Ein Change ist dann erfolgreich, wenn das zur Erreichung definierte und über den Change-Prozess gegebenenfalls geschärfte Zielbild zum einen erreicht und zum anderen auch weitestgehend stabilisiert ist. Aber in der heutigen VUCA-Welt gilt das Prinzip „nach der Veränderung ist vor der Veränderung“. Eat – sleep – change – repeat…